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Wann wird die Aufsichtspflicht der Eltern verletzt

Nadine Scheiner
18 Sep 2023
4 Min
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Erziehungsberechtigten stehen in der Pflicht, ihren Kindern einen besonderen Schutz zukommen zu lassen. Diese Pflicht ist sogar auf einer gesetzlichen Ebene verankert, nämlich im BGB. Dieses beschreibt die Aufsichtspflicht der Eltern.

Dennoch ist vielen Müttern und Vätern überhaupt nicht klar, wo ihre Aufsichtspflicht endet, was passiert, wenn unter ihrer Aufsicht dennoch einem Dritten durch den Nachwuchs Schaden zugefügt wird und welche Versicherung den richtigen Ansprechpartner darstellt, um einen solchen Schaden zu regulieren. Daneben ist es natürlich auch wichtig zu erklären, ob die Verantwortung für entstandene Schäden immer bei der Person liegt, die in der Aufsichtspflicht stand und ob eine Übertragung der Pflicht zur Aufsicht möglich ist.

Der folgende Artikel erklärt daher die wichtigsten Punkte bei dem Thema der Haftung von Minderjährigen und der Aufsichtspflicht der Eltern.

Die elterliche Aufsichtspflicht – Das ist darunter zu verstehen

Die sogenannte elterliche Aufsichtspflicht bezieht sich auf die Sorge für den Nachwuchs. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem eigenen Vermögen des Kindes bis zu seinem 18. Geburtstag, also seiner Volljährigkeit, zu.

Im BGB, dem Bürgerlichen Gesetzbuch, finden sich die detaillierten Regelungen dazu, dass für Eltern gegenüber ihren Schutzbefohlenen die Pflicht zur Pflege, Erziehung und Beaufsichtigung besteht. Daneben wird den Kindern durch die Ausführungen im BGB das Recht zuteil, einer selbstständigen Entwicklung folgen zu können.

Es besteht daher für die Eltern eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung darin, ihren Nachwuchs in seiner Selbstständigkeit zu fördern, dabei jedoch gleichzeitig nicht ihre gesetzliche Aufsichtspflicht zu verletzen. Die Kunst ist also, zwischen diesen beiden Interessen einen möglichst gesunden Weg einzuschlagen.

 

Müssen Eltern für ihre Kinder immer haften?

Grundsätzlich sind Kinder, die das Lebensalter von sieben Jahren noch nicht erreicht haben, nicht haftbar. Bezieht sich die jeweilige Situation auf den Straßenverkehr, liegt die Haftungsgrenze sogar erst bei dem Alter von zehn Jahren. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Kinder, fachmännisch ausgedrückt, also deliktsunfähig.

Mit dieser Deliktsunfähigkeit geht einher, dass auch die Erziehungsberechtigten nicht für ihren Nachwuchs haften müssen. Für diejenigen, die durch die Handlung der deliktsunfähigen Kinder geschädigt werden, bedeutet dies allerdings, dass sie die verbundenen Kosten selbst tragen müssen.

Für sämtliche Fälle der Deliktsunfähigkeit steht den Eltern jedoch die Möglichkeit offen, im Rahmen ihrer privaten Haftpflichtversicherung einen entsprechenden Schutz zu schaffen. Auf diese Weise lassen sich viele Probleme und Ärger, beispielsweise in der Nachbarschaft, verhindern. Die Haftpflichtversicherung übernimmt dann bei einem Fall der Deliktsunfähigkeit die entsprechende Schadensregulierung. Zudem zeigt es sich als sinnvoll, Wertgegenstände gegen Schäden versichern zu lassen. Möglich ist dies durch eine sogenannte Gegenstandsversicherung. Fegt der Nachwuchs so etwa beim Toben das brandneue Tablet vom Tisch, ist die Erleichterung groß, wenn das teure Gerät durch eine solche Versicherung geschützt ist.

In allen anderen Fällen gilt, dass die Erziehungsberechtigten haften müssen, wenn ein Sach- oder ein Personenschaden durch ihren Nachwuchs verursacht wird – vorausgesetzt, sie haben dabei ihre gesetzliche Aufsichtspflicht vernachlässigt. Der Gesetzgeber wertet es als Verletzung der Aufsichtspflicht, wenn die Eltern in Kenntnis davon waren – oder zumindest damit rechnen mussten –, dass ein Schaden durch ihr Kind verursacht wird und sie dies zugelassen haben. Für Erziehungsberechtigte bedeutet dies, dass sie stets wachsam sein und potentielle Gefahrenquellen frühzeitig identifizieren müssen.

Dürfen Kinder alleine zu Hause bleiben?

Natürlich stellen sich in diesem Zusammenhang einige Fragen. Eine von diesen besteht darin, ob die Kinder so überhaupt alleine zu Hause bleiben dürfen oder die Eltern dadurch bereits ihre Aufsichtspflicht verletzen. Die Antwort darauf hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Diese bestehen nicht nur in dem Alter des Kindes, sondern auch in seiner individuellen Reife und dem allgemeinen Temperament des Schutzbefohlenen. Ruhige und verlässliche Kinder können so unter Umständen bereits zu einem früheren Zeitpunkt alleine zu Hause gelassen werden, wohingegen bei besonders wilden Kindern vielleicht besser noch ein wenig gewartet wird.

Befindet sich der Nachwuchs im Grundschulalter, kann allerdings durchaus angefangen werden, gemeinsam mit dem Kind zu üben, dass es auch mal alleine zuhause bleibt. Zu Beginn wird der Nachwuchs natürlich nur für kurze Zeitabstände alleine gelassen, beispielsweise für einen schnellen Einkauf. Sobald dies gut funktioniert, können die Zeiten auch ausgedehnt werden. Nach Auffassung des BGB verändert dies jedoch nichts an der generellen Aufsichtspflicht der Eltern. Somit besteht diese in der Theorie auch dann, wenn die Eltern sich nicht am gleichen Ort wie ihr Kind aufhalten.

Eltern sollten ihrem Kind, wenn sie dieses allein zu Hause lassen, grundsätzlich immer eine Uhrzeit mitteilen, zu der sie zurück sind. Diese Zeit ist dann selbstverständlich auch möglichst genau einzuhalten, um das Vertrauen des Kindes zu stärken. Daneben sollte zu jeder Zeit eine telefonische Erreichbarkeit gewährleistet sein. Für den Fall, dass unvorhergesehene Ereignisse während der Abwesenheit des Erziehungsberechtigten eintreten, ist zudem bereits im Vorfeld ein Handlungsplan festzulegen. Die Haus- oder Zimmertür darf im Übrigen niemals abgeschlossen werden – das Kind muss das Haus bei Gefahr, beispielsweise einem Brand, schließlich ungehindert verlassen können.

Sinnvoll ist es darüber hinaus, gemeinsam mit dem Nachwuchs einige weitere Regeln zu definieren, wenn es alleine zu Hause bleibt. Diese betreffen beispielsweise das korrekte Verhalten, wenn es an der Tür klingelt oder das Telefon läutet. Sämtliche Elektrogeräte, wie Mixer, Herd oder Wasserkocher, sollten so aufbewahrt werden, dass der Nachwuchs diese nicht erreicht. Die Kinder sollten zudem wissen, dass sie diese ohnehin nur im Beisein der Eltern nutzen dürfen. Das Gleiche gilt für Feuerzeuge und Streichhölzer. Auf diese Weise lässt sich bereits zahlreichen potentiellen Gefahren wirksam vorbeugen.

Sobald die Kinder ein wenig älter sind, ist es durchaus auch möglich, dass sie über Nacht alleine zu Hause bleiben. Dafür muss jedoch die Einschätzung der Erziehungsberechtigten so ausfallen, dass ihr Nachwuchs sowohl über die nötige ausgebildete Persönlichkeit als auch eine gewisse Reife verfügt. Der Gesetzgeber erlaubt ab 14 Jahren, dass Jugendliche alleine zu Hause gelassen werden.

Übertragung der Betreuung an ältere Geschwisterkinder

Leben mehrere Kinder in einem Haushalt, stellen sich die Eltern außerdem häufig die Frage, ob sie die jüngeren durch die älteren Geschwister betreuen lassen können. Abhängig ist auch diese Antwort von dem Alter der Kinder sowie dem herrschenden Altersunterschied. Falls die Geschwister altersmäßig nicht sehr weit auseinanderliegen, ist es nämlich oft so, dass das ältere Kind von dem jüngeren Geschwisterteil nicht als Autorität anerkannt wird. Es folgt seinen Anweisungen so kaum, wenn die Eltern nicht anwesend sind.

Für Eltern ist es in diesem Zusammenhang empfehlenswert, sorgfältig darüber nachzudenken, ob das ältere Kind auch in unvorhergesehenen Stresssituationen vernünftig handeln kann und ob seine Fürsorge ausreicht, um dem jüngeren Kind für die Zeit der Abwesenheit gerecht zu werden. Das Wichtigste in dieser Konstellation ist, dass sich das ältere Geschwisterkind nicht mit der Verantwortung, die ihm übertragen wird, überfordert fühlt. Daneben verlangt die Betreuung von jüngeren Geschwistern auch immer die nötige Selbstständigkeit.

Befindet sich das jüngere Kind in einem Alter unterhalb von drei Jahren, gilt zudem eine besondere Fürsorgepflicht. In diesem Fall sind noch strengere Kriterien einzuhalten, um die Aufsichtspflicht einem Geschwisterkind zu überlassen.

Wie gestalten sich die Regelungen zur Aufsichtspflicht in Kindergarten und Schule?

Dass Personen, die minderjährig sind, sowohl geistig als auch körperlich reife- und altersbedingt nicht fähig sind, Gefahren korrekt einzuschätzen und zu erkennen, stellt eine allgemeine Annahme dar. Sie sind ebenfalls nicht in der Lage, dahingehend vorauszudenken, welche Konsequenzen ihr Handeln für Dritte bedeutet. Dies ist der Grund, weshalb Minderjährige generell einem besonderen Schutz unterliegen, nämlich der Aufsichtspflicht, welche durch die mangelnde Deliktsfähigkeit nötig wird.

Die bereits beschriebene Aufsichtspflicht kommt nicht nur den Eltern zu. Sie gilt darüber hinaus auch für Personen, in deren Obhut sich der minderjährige Nachwuchs befindet. Im Rahmen dieser Aufsichtspflicht muss ebenfalls sichergestellt werden, dass die Schutzbedürftigen selbst keinen Schaden erleiden und auch anderen Personen keinen Schaden zufügen. Daneben müssen diejenigen, die die Aufsichtspflicht tragen, dafür sorgen, dass Dritte durch die Minderjährigen nicht gefährdet werden, beispielsweise im Straßenverkehr. Sie sollten zudem zu jeder Zeit wissen, wo sich die Personen, die ihnen anvertraut wurden, befinden und welche Aktivitäten sie dort ausführen. Es besteht eine weitere Pflicht darin, mögliche Gefahrenquellen zu identifizieren, um die Minderjährigen vor den vorhersehbaren Risiken zu schätzen.

Die Aufsichtspflicht liegt per gesetzlicher Definition des BGB bei den Eltern der Kinder beziehungsweise ihren Erziehungsberechtigten. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen andere Personen gegenüber den Minderjährigen eine Aufsichtspflicht tragen. Diese ergibt sich dann aus ihrem Beziehungsverhältnis.

So kommt auch Lehrern und Kindergärtnern eine gesetzliche Aufsichtspflicht zu. Das Gleiche gilt für Ausbilder, falls die Auszubildenden ihr 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Die Aufsichtspflicht ergibt sich dabei durch die geltenden Gesetze. Es ist nicht nötig, dass ein zusätzliches, explizites Einverständnis erfolgt.

Von einer vertraglichen Aufsichtspflicht wird dagegen immer dann gesprochen, wenn diese einem Dritten im Rahmen eines entsprechenden Vertrages übertragen wurde. Dies kann zum Beispiel bei Babysittern, Vereinstrainern oder Jugendpflegern der Fall sein. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass hauptsächlich der Wille zählt, dass die Aufsichtspflicht übertragen wird. Eine entsprechende schriftliche Fixierung dieser Absicht muss nicht zwingend erfolgen.

Daneben existiert auch die sogenannte Gefälligkeitsaufsicht. Vollzogen wird diese zum Beispiel durch Verwandte, Bekannte, Nachbarn oder Freunde. Falls diese Betreuung nur gelegentlich, ohne Entlohnung und über einen kurzen Zeitraum stattfindet, geht damit keine Übertragung der Aufsichtspflicht einher. Kommt es zu einem Schaden, liegt die Haftung dafür demnach auch nicht bei demjenigen, der die Aufsicht ausgeführt hat.

Ab welchem Alter dürfen sich Kinder alleine mit dem Fahrrad im Straßenverkehr bewegen?

Mit ihrem Fahrrad müssen die Kinder laut Gesetz auf dem Gehweg fahren, bis sie das Alter von acht Jahren erreicht haben. Zwischen dem achten und dem zehnten Lebensjahr dürfen sie sich wiederum selbst aussuchen, ob sie lieber die Straße oder den Gehweg nutzen.

Ab ihrem zehnten Geburtstag sind die meisten Kinder dann fähig, sich auch in unübersichtlichen Situationen – zu denen der öffentliche Straßenverkehr zweifelsfrei gehört – zu begeben, diese zu erfassen und in ihnen bedacht zu handeln. In der Regel findet in der vierten Klasse auch eine Radfahrprüfung statt. Diese liefert bereits einen aussagekräftigen Hinweis, ob das eigene Kind den Anforderungen des Straßenverkehrs gewachsen ist.

Damit geht allerdings keinesfalls einher, dass die Eltern von ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht entbunden sind, sobald die Radfahrprüfung von ihrem Nachwuchs bestanden wird. Erst ab einem Alter von 14 Jahren gelten Kinder als vollständig tauglich für den Straßenverkehr. Dann ist ihre Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit nämlich erst ausreichend entwickelt.

Zu dieser Zeit müssen die Kinder wieder zu Hause sein

Es existiert in Deutschland keine gesetzliche Regelung hinsichtlich der Zeiten, zu denen Kinder spätestens zu Hause sein müssen.

In dieser Frage kommt es also auf die Eltern an, wenn es darum geht, altersgerechte Regeln zu definieren. Im Hinterkopf müssen sie auch dabei stets ihre gesetzliche Aufsichtspflicht behalten.

Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht: Diese Konsequenzen drohen

Lässt sich nachweisen, dass die Aufsichtspflicht durch die Eltern verletzt wurde und dabei ein Schaden für einen Dritten entstanden ist, liegt die Haftung bei den Eltern. In schweren Fällen können sich für die Erziehungsberechtigten somit sogar strafrechtliche Konsequenzen ergeben.

Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Dritter durch das Kind schwer verletzt wird oder zum Tode kommt. In einem solchen Szenario ist es möglich, dass die Eltern wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung verklagt werden. Allerdings ist es dann im Vorfeld nötig, dass ein unabhängiger Richter offiziell feststellt, dass die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben.

Absicherung gegen das Handeln des Nachwuchses: Diese Möglichkeiten bestehen

Wird ein Dritter durch die Handlungen des Nachwuchses geschädigt, liegt für sämtliche Schäden die Haftung bei den Erziehungsberechtigten, die ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Sollten die Eltern über eine private Haftpflichtversicherung verfügen, haftet diese Versicherung jedoch für die entstandenen Schäden.

Um diesen Schutz genießen zu können, müssen die Eltern allerdings darauf achten, dass die entsprechenden Schäden auch in solchen Fällen übernommen werden, in denen sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind und der Verursacher in einem deliktunfähigen Kind besteht – also in Fällen, in denen der Nachwuchs das Alter von sieben Jahren noch nicht erreicht hat.

Die Versicherung muss die Regulierung des Schadens dann jedoch nicht zwangsläufig übernehmen. Einige Versicherungsunternehmen weigern sich. Aus diesem Grund sollten Eltern im Vorfeld umfassende Informationen dazu einholen, welche Haftungsansprüche in dem gewählten Versicherungstarif eingeschlossen sind. Für deliktunfähige Kinder sollte eine entsprechende Sonderregelung enthalten sein. Dennoch: Die Klausel der Deliktsunfähigkeit entbindet die Eltern nicht von ihrer grundsätzlichen Aufsichtspflicht.

Idealerweise wird also eine Haftpflichtversicherung gefunden, die bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht von deliktunfähigen Kindern zahlt. Sie sollte sowohl für Vermögens-, Sach- und Personenschäden als auch für den Verlust von Schlüsseln und Mietschäden aufkommen.

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