Die Tradition des Muttertags hat eine faszinierende Geschichte, die bis ins frühe 20. Jahrhundert zurückreicht. Bevor wir Muttertag 2026 am 10. Mai feiern, lohnt ein Blick auf die historischen Wurzeln dieses besonderen Tages.
Ursprünge in den USA und England
Der Muttertag ist keine Erfindung des Einzelhandels. Die Verehrung der Mütter geht tatsächlich bis in die Antike zurück, als die alten Griechen Rhea, die Göttin der Erde und Fruchtbarkeit, feierten.
Die moderne Form des Muttertags entstand in der US-amerikanischen Frauenbewegung. Bereits 1865 versuchte Ann Maria Reeves Jarvis eine Mütterbewegung namens “Mothers Friendships Day” zu gründen. Fünf Jahre später startete Julia Ward Howe eine Mütter-Friedenstag-Initiative unter dem Motto “peace and motherhood”, mit dem Ziel, dass Söhne nicht mehr in Kriegen geopfert werden sollten.
Als eigentliche Begründerin des heutigen Muttertags gilt die Methodistin Anna Marie Jarvis, die Tochter von Ann Maria Reeves Jarvis. Am 12. Mai 1907 veranstaltete sie in Grafton (West Virginia) das erste “Memorial Mothers Day Meeting” – eine öffentliche Gedenkfeier für ihre verstorbene Mutter. Im darauffolgenden Jahr wurden am zweiten Maisonntag in der Methodistenkirche in Grafton allen Müttern eine Andacht gewidmet, wobei sie 500 weiße Nelken als Symbol ihrer Liebe verteilen ließ.
1914 wurde der Muttertag offiziell vom US-Kongress zum nationalen Feiertag erklärt, als Präsident Woodrow Wilson die “Joint Resolution Designating the Second Sunday in May as Mother’s Day” unterzeichnete. Von den USA aus verbreitete sich der Brauch schnell international. Im Vereinigten Königreich wurde das Konzept mit dem traditionellen “Mothering Sunday” (4. Fastensonntag) verschmolzen.
Einführung in Deutschland 1922
Der Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber etablierte den Muttertag 1922/1923 mit Plakaten “Ehret die Mutter” in den Schaufenstern – zunächst als “Tag der Blumenwünsche”.
Der erste offizielle deutsche Muttertag fand am 13. Mai 1923 statt. Der Vorsitzende des Verbandes, Rudolf Knauer, bereitete mit kleineren Werbekampagnen, Veranstaltungen und sogar Muttertagspoesie den Weg dafür. Diese Tradition, die wir bis zum Muttertag 2026 pflegen werden, hatte ursprünglich starke kommerzielle Wurzeln – ähnlich wie heute, wo Fotogeschenke und personalisierte Erinnerungsstücke zu den beliebtesten Präsenten gehören.
Ab 1926 übernahm die “Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung” die Aufgabe, den Muttertag weiter zu verbreiten, mit dem Ziel “Kirche und Schule zu gewinnen und die Regierung dahin zu bringen, den Muttertag am zweiten Sonntag im Mai als offiziellen Feiertag festzulegen”. Der Muttertag wurde von Anfang an in Deutschland mit traditionellen Familienwerten verknüpft.
Muttertag im Nationalsozialismus
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 erhielt der Muttertag eine neue, ideologisch aufgeladene Bedeutung. Er wurde zum öffentlichen Feiertag erklärt und erstmals am dritten Maisonntag 1934 als “Gedenk- und Ehrentag der deutschen Mütter” mit der Einführung des Reichsmütterdienstes in der Reichsfrauenführung begangen.
Die Nationalsozialisten verknüpften den Muttertag mit ihrer Ideologie der “germanischen Herrenrasse”. Das Idealbild der Frau war die deutsche Mutter, die ihre Aufgabe in der “Reproduktion des deutschen Volkskörpers” sah. Besonders kinderreiche Mütter wurden als “Heldinnen des Volkes” zelebriert.
1938 führte Hitler das “Ehrenkreuz der Deutschen Mutter” ein, im Volksmund spöttisch “Karnickelorden” genannt [131]. Es wurde am Muttertag, erstmals am 21. Mai 1939, verliehen und existierte in Bronze (für vier bis fünf Kinder), Silber und Gold (für acht oder mehr “erbgesunde” Kinder) [131].
Diese vermeintliche Verehrung war exklusiv und rassistisch geprägt. Sie galt nur den Müttern, die den Zugehörigkeitskriterien der “Volksgemeinschaft” entsprachen, während jüdische Mütter, Sintize und Romnja sowie Frauen in besetzten Ländern Verfolgung ausgesetzt waren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Muttertag in der Bundesrepublik erstmals 1950 wieder gefeiert [124], während er in der DDR nur im privaten Kreis begangen wurde. Über die Jahrzehnte entwickelte sich der Tag zu einem festen Bestandteil deutscher Kultur – eine Tradition, die wir auch zum Muttertag 2026 fortführen werden.