Wissenschaftliche Untersuchungen liefern zunehmend detaillierte Erkenntnisse über die Auswirkungen von Cannabiskonsum während der Schwangerschaft. Insbesondere zwei große Studien haben in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt und unsere Kenntnisse über die Risiken des Cannabiskonsums in der Schwangerschaft erheblich erweitert.
Ergebnisse der nuMoM2b-Studie
Die nuMoM2b-Studie (Nulliparous Pregnancy Outcomes Study Monitoring Mothers-to-be) untersuchte den Einfluss des Cannabiskonsums auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Dr. Phoebe Dodge und ihr Team vom Central Michigan University College fanden dabei entscheidende Zusammenhänge zwischen dem Zeitpunkt des Cannabiskonsums und dem Ausmaß der Wachstumsdefizite bei Neugeborenen.
Die Forschungsergebnisse zeigten eindeutig, dass der Cannabiskonsum während der gesamten Schwangerschaft im Vergleich zu einem Konsum, der nur zu Beginn stattfand, den größten negativen Einfluss auf das Wachstum des ungeborenen Kindes hat. Nach Kontrolle möglicher Störfaktoren ergaben die statistischen Auswertungen:
- Eine signifikante Abnahme des Neugeborenengewichts nach Cannabisexposition im ersten Trimenon (-154 g)
- Eine noch stärkere Gewichtsabnahme bei Exposition während der gesamten Schwangerschaft (-185 g)
- Signifikante Defizite im Kopfumfang nach Cannabisexposition im ersten und zweiten Trimester (-0,83 cm)
- Verringerte Kopfumfänge (-0,79 cm) bei Exposition während der gesamten Schwangerschaft
Bemerkenswert ist jedoch, dass die Körperlänge des Neugeborenen durch die Cannabisexposition nicht signifikant beeinflusst wurde. Dennoch unterstreichen die Wissenschaftler, dass selbst der Konsum nur zu Beginn der Schwangerschaft bedeutsame Auswirkungen auf das Wachstum des Kindes hat.
Ebenso entscheidend: Die Studienautoren betonen, dass die Chancen eines Fötus auf normales Wachstum und eine bessere Gesundheit und Entwicklung umso größer sind, je früher die Mütter mit dem Cannabiskonsum aufhören. Dies ist besonders relevant, da ein niedriges Geburtsgewicht und ein geringer Kopfumfang mit neurologischen und psychologischen Problemen, gesundheitlichen Komplikationen in der Kindheit und verschiedenen nicht übertragbaren Krankheiten im Erwachsenenalter in Verbindung gebracht werden.
Datenlage aus der Young-Wolff-Studie
Die umfangreiche Untersuchung von Dr. Kelly Young-Wolff und ihrem Team liefert ergänzend wertvolle Erkenntnisse über die Auswirkungen von Cannabis auf die Gesundheit der werdenden Mutter. Für diese Studie wurden Daten aus 316.722 Schwangerschaften (250.221 Frauen) aus den Jahren 2011 bis 2019 analysiert.
Von den teilnehmenden Schwangeren wurden 20.053 in der Schwangerenvorsorge positiv auf Cannabis getestet. Die Ergebnisse zeigen ein konsistentes Muster erhöhter Gesundheitsrisiken bei Cannabis-Konsum gegenüber Nicht-Konsum während der Schwangerschaft:
- Schwangerschaftshochdruck stieg um 17%
- Präeklampsie nahm um 8% zu
- Das Risiko einer Plazenta-Ablösung erhöhte sich um 19%
- Zu geringe Gewichtszunahme in der Schwangerschaft war um 5% häufiger
- Zu hohe Gewichtszunahme trat 9% öfter auf
Darüber hinaus dokumentierte eine weitere von Young-Wolff geleitete Langzeitstudie beunruhigende Trends in der Häufigkeit des Cannabiskonsums während der Schwangerschaft. Zwischen 2009 und 2017 stieg die Prävalenz des Cannabiskonsums im Jahr vor der Schwangerschaft von 6,80% auf 12,50%, während der Konsum während der Schwangerschaft von 1,95% auf 3,38% zunahm.
Besonders alarmierend: Die Rate des täglichen Cannabiskonsums während der Schwangerschaft stieg am schnellsten – von 0,28% auf 0,69%. Dies entspricht einer jährlichen relativen Änderungsrate von 1,110 (95% KI: 1,089-1,132) für täglichen Konsum, verglichen mit 1,075 (95% KI: 1,059-1,092) für wöchentlichen Konsum und 1,044 (95% KI: 1,032-1,057) für monatlichen oder selteneren Konsum.
Zusätzlich zu diesen großen Studien liefert das deutsche Pilotprojekt „Substanzgebrauch während der Schwangerschaft und seine Folgen für Mutter und Kind – Fokus Cannabis” weitere wichtige Erkenntnisse. Im Rahmen dieses Projekts gaben 13% der teilnehmenden schwangeren Frauen und Mütter einen Substanzkonsum an, wobei Cannabis von 22,1% der Befragten genannt wurde.
Eine umfassende Meta-Analyse von 16 Studien mit fast 60.000 Schwangeren identifizierte zudem sieben konkrete kindliche Geburtskomplikationen im Zusammenhang mit mütterlichem Cannabiskonsum. Das relative Risiko für Geburtsgewicht unter 2.500 g lag bei 2,06, für Mangelgeburten bei 1,61, für die Aufnahme auf eine Neugeborenen-Intensivstation bei 1,38 und für Frühgeburten vor der 37. Woche bei 1,28.
Die Gesamtheit dieser Studien unterstreicht die wissenschaftliche Evidenz für die erheblichen Risiken des Cannabiskonsums während der Schwangerschaft – sowohl für das ungeborene Kind als auch für die werdende Mutter.